„Die Energiewende erfordert Energiespeicherung in großem Maße. Die unterirdische Wasserstoffspeicherung in porösen Reservoiren ist ein relativ neues Konzept und wurde erst vor vier oder fünf Jahren eingeführt. Daher gibt es auch noch nicht viele Messungen für das Zusammenspiel von Wasserstoff, Sole und Gestein“ erklärt Maartje Boon, SimTech-Juniorprofessorin für Advanced Methods in Porous Media am Institut für Mechanik (MIB) der Universität Stuttgart. „Wir wissen aber, dass wir Gase im Boden speichern können, denn Erdgas wird bereits seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts in porösen Reservoiren im Boden gelagert“, ergänzt sie. Auch CO2 wird schon seit mehr als 20 Jahren unterirdisch gelagert, um seine Menge in der Atmosphäre zu reduzieren. Das CO2 soll dabei dauerhaft im Boden bleiben, Wasserstoff als Energielieferant hingegen nur vorübergehend, um ihn bei Bedarf, zum Beispiel vor dem Winter, wieder zu entnehmen.
Wasserstoff (H) ist das häufigste Element im Universum und das leichteste chemische Element. In der Natur kommt er vor allem in gebundener Form vor, etwa im Wasser (H₂O) und in organischen Verbindungen. Natürlicher (weißer) Wasserstoff kommt in erheblichen Mengen im Untergrund vor, die Entstehung und sein Transport durch die Erdkruste sind noch weitestgehend unerforscht.
Aufgrund der geringen Dichte von Wasserstoff erfordert die unterirdische Speicherung ein Volumen, das weit über die Kapazitäten oberirdischer Anlagen hinausgeht. Dafür geeignet sind geologische Formationen wie Salzkavernen, erschöpfte Kohlenwasserstoffreservoire und salzhaltige, grundwasserführende Gesteinsschichten (Aquifere).
Unterirdische poröse Reservoire bestehen oft aus Sandsteinschichten. In die Poren des Sandsteins werden dann die Gase oder Flüssigkeiten injiziert. Da Gase aber oft sehr leicht sind und nach oben aufsteigen, muss über der Sandsteinschicht eine Versiegelung sein. Das kann eine weitere Gesteinsschicht sein, die als Barriere wirkt, mit sehr geringer Durchlässigkeit und Porosität, das heißt mit so wenig Hohlräumen wie möglich.
Warum Wasserstoff so interessant für die Energiewende ist, liegt an seinen Eigenschaften als Energieträger. Wasserstoff hat eine sehr hohe Energiedichte und ist deshalb ein sehr guter Energiespeicher. Wenn Wasserstoff verbrennt, kann er in Energie umgewandelt werden, ohne dass klimaschädliche Gase entstehen. Zudem lässt sich Wasserstoff über lange Zeit lagern. „Wenn wir nun Wasserstoff in ein poröses Reservoir einspeisen, interessiert uns, wie viel von dem Wasserstoff - und damit Energie - wir aus dem Reservoir wieder herausholen können“, sagt Maartje Boon. Deshalb erforscht sie, wie sich Wasserstoff in unterirdischen Reservoiren verhält, wie er sich bewegt, welche Faktoren seine Rückgewinnung beeinflussen und wie er mit der Umgebung interagiert. Mit Simulationsmodellen will die Wissenschaftlerin dann herausfinden, ob die unterirdische Speicherung überhaupt machbar ist und ob die Sicherheit eines Reservoirs gewährleistet werden kann.
Die Benetzbarkeit sagt aus, wie sich Gase oder Flüssigkeiten verhalten, wenn sie mit einer Oberfläche in Berührung kommen. Ist das System hydrophil, breitet sich die Flüssigkeit aus; ist es hydrophob, perlt die Flüssigkeit ab. Die Benetzung lässt sich durch den Kontaktwinkel der Tröpfchen charakterisieren.
Damit bei der Simulation aussagekräftige Ergebnisse zustande kommen, benötigen die Modelle verschiedene Eingabeparameter. Diese müssen das Verhalten des Wasserstoff-Sole-Gestein-Systems korrekt erfassen und die Auswirkungen der Heterogenität des Untergrunds berücksichtigen. Zu diesen Eingangsparametern gehört die relative Permeabilität, also die relative Durchlässigkeit des Gases, wenn es zusammen mit der Sole durch das Gestein fließt, oder der Kapillardruck, der erforderlich ist, um das Gas durch eine mit Sole gefüllte Pore zu pressen. Bis vor ein paar Jahren gab es auch nur wenig verlässliche Daten zur Benetzbarkeit in einem solchen Wasserstoff-Sole-Gestein-System. „Diese Parameter können im Labor gemessen werden, und seit einiger Zeit arbeiten viele Forschende daran“, sagt Boon.
Experimentelle Arbeit im Labor
Ihre Arbeit findet deshalb zu einem großen Teil im Labor statt, wo sie mit ihrem Team die Experimente durchführt. „Anschließend versuchen wir, diese Experimente am Computer zu simulieren und daraus die Eingangsparameter für unsere Modelle abzuleiten“, erklärt sie. Das Porous Media Lab an der Universität Stuttgart bietet dafür beste Bedingungen. Hier können die Untersuchungen mit speziell dafür konstruierten Aufbauten unter kontrollierten Bedingungen stattfinden. Um die Benetzbarkeit zu bestimmen, müssen zum Beispiel die Kontaktwinkel der Tropfen auf den Gesteinsoberflächen gemessen werden.
Die Wissenschaftler*innen im Team von Maartje Boon haben dafür eine kleine Zelle gebaut, die etwa 15 cm hoch ist und zwei Fenster hat. „In dieser Zelle befindet sich ein Substrat. Sie kann bis zu 500 bar und 270 Grad Celsius aushalten, also sehr hohen Druck und hohe Temperaturen“, erklärt Maartje Boon. Die Versuche werden mit unterschiedlichem Druck und unterschiedlichen Temperaturen durchgeführt. So werden in der Zelle Blasen und Tröpfchen freigesetzt, an denen die Wissenschaftler*innen ihre Messungen durchführen und untersuchen, was passiert, wenn Gas oder Flüssigkeit mit der Oberfläche des Substrats in Berührung kommen.
Das Substrat, das sich in der Zelle befindet, ist reines Quartz. Sandstein besteht hauptsächlich aus Quartz. „Es hat keine poröse Oberfläche. Wir beginnen mit dem einfachsten System, das sind nur Blasen und Tröpfchen. Anschließend gehen wir zu einem etwas komplizierteren System über, bei dem wir eine poröse Struktur einbauen und uns Strömungsexperimente ansehen“, erklärt Maartje Boon. Eine installierte Kamera nimmt hochauflösende Bilder auf, die zeigen, wie diese Blasen und Tröpfchen mit dem Substrat in Kontakt sind. Die Wissenschaftler*innen interessiert, ob der Quartz nun den Kontakt mit der Salzlösung, also der Sole, bevorzugt oder mit dem Gas.
Kernflutung ist ein experimentelles Verfahren in der Geowissenschaft, bei dem Flüssigkeiten und Gase durch einen Gesteinskern gepresst werden, um die Fließeigenschaften und die Verteilung in porösen Medien zu untersuchen. Daraus können Parameter wie Durchlässigkeit, Porosität und Sättigungsgrad abgeleitet werden.
Erste grundlegende Erkenntnisse
In einem früheren Projekt an der Universität Delft hat Maartje Boon das Zusammenspiel der Kräfte von Gravitation, Kapillaren und Viskosität untersucht. Diese entstehen, wenn Wasserstoff in ein Reservoir ein- oder ausgeleitet wird. In einem sogenannten Kernflutungsexperiment hat sie die Messungen an einem mit Wasser getränkten Felskern aus Berea-Sandstein durchgeführt.
Die Wissenschaftler*innen wollten verstehen, wie der Wasserstoff im Sandsteinkern fließt und wie er sich bei der Injektion verhält. Dies ist entscheidend für die Sicherheit und Effizienz der unterirdischen Wasserstoffspeicherung in porösen geologischen Formationen, die mit Wasser gesättigt sind. Mit Hilfe von Röntgen-Computertomographie konnte die Verteilung des Wasserstoffs sichtbar gemacht werden.
Es zeigte sich, dass durch das Zusammenspiel von Gravitations-, Kapillar- und Viskositätskräften in Kombination mit Auflösungsprozessen komplexe Verdrängungsvorgänge im unterirdischen Wasserstoffspeicher stattfanden. Es können kleine, dicht mit Wasser gesättigte Finger entstehen, die sich zu Kanälen entwickeln, durch die dann das Wasser fließt und den Wasserstoff verdrängt. Dieser wiederum kann außerhalb der Kanäle eingeschlossen werden und geht somit als Energielieferant verloren. Die Ergebnisse trugen erheblich zum grundlegenden Verständnis bei, wie Wasserstoff und Wasser sich beim Transport durch poröse Medien verhalten.
Heterogene Gesteinsschichten mit unterschiedlichem Fließverhalten
Darauf aufbauend, ist es das Ziel ihrer jetzigen Forschung, zu verstehen, wie sich Unterschiede in der Gesteinsstruktur auf den Wasserstofffluss auswirken, wenn man ihn in ein Reservoir einleitet. „Nun wollen wir diejenigen Parameter finden, die die Auswirkungen der Heterogenität der verschiedenen Schichten im Untergrund auf die Strömung und das Einschließen des Gases erfassen“, ergänzt sie. Deshalb sollen die Versuche im Porous Media Lab in einem nächsten Schritt mit unterschiedlich heterogenen Strukturen durchgeführt werden.
Diese Heterogenitäten gibt es im Reservoir auf vielen verschiedenen Längenskalen: von der kleinen Porenstruktur auf der Mikrometerskala bis hin zu Berechnungen im Feld im Kilometerbereich. Alle haben einen großen Einfluss auf das Fließverhalten des Wasserstoffs durch das Gestein. Durch die Kombination dieser Ergebnisse mit numerischen und analytischen Modellierungswerkzeugen hofft Maartje Boon, wirksame Parameter zu finden, die das Verhalten im Reservoir korrekt erfassen.
Auch Mikroben mischen mit
Ein weiterer Faktor, der die Berechnungen erschwert, kommt noch hinzu: Wasserstoff kann von bestimmten Mikroben, die sich in der Lagerstätte befinden, für ihren Stoffwechsel genutzt werden. Sie fressen den Wasserstoff, um ihren Energiebedarf zu decken. Dieser Anteil geht für die Energiegewinnung verloren. „Aber nicht nur das. Wenn die Mikroben Wasserstoff fressen, wachsen sie auch stark. Und wenn Mikroben stark wachsen, bilden sie Biofilme, die den Porenraum im Reservoir verstopfen können“, erklärt Maartje Boon. Das erschwert einerseits die Injektion des Wasserstoffs und hat andererseits auch einen großen Einfluss darauf, wie man ihn wieder aus dem Reservoir herausbekommt.
Das Ergebnis einer weiteren Studie von Maartje Boon zeigte, dass der Biofilm sich auf einem Bentheimer Sandstein mit rauer Oberfläche vorwiegend in den Ritzen abgesetzt hatte und die Kontaktfläche mit dem Wasserstoff unverändert blieb. Auf einem Quarzstein mit glatter Oberfläche dagegen bedeckte der Biofilm die gesamte Fläche, was zu einer Veränderung der Benetzbarkeit führte. Folglich können die Auswirkungen der mikrobiellen Aktivität auf die Benetzbarkeit während der unterirdischen Wasserstoffspeicherung nur dann bestimmt werden, wenn die Bedingungen des Reservoirs genau nachgebildet werden. Hinzu kommt, dass der Wasserstoff, der aus der Lagerstätte entnommen wird, eine bestimmte Reinheit aufweisen muss, damit man ihn direkt wiederverwenden kann. Die Reinheit kann sich durch die Mikroben stark verringern, aber auch durch die Vermischung mit anderen Gasen, die sich bereits im Reservoir befinden.
All diese Aspekte müssen untersucht werden, um herauszufinden, ob es technisch machbar und sinnvoll ist, Energie in Form von Wasserstoff in unterirdischen porösen Reservoiren zu speichern – insbesondere, wenn ein großer Teil des Wasserstoffs dabei verloren gehen könnte. „Weil die Idee so neu ist, gibt es noch viele offene Fragen, und das macht es so reizvoll, an diesem Forschungsthema zu arbeiten. Es gibt so viele Dinge, die noch nicht untersucht wurden und es kommen viele neue hinzu, wie zum Beispiel die Mikroben, die man noch weiter erforschen kann“, resümiert Maartje Boon.
Manuela Mild | SimTech Science Communication
Zum Weiterlesen
Boon, M., Rademaker, T., Winardhi, C.W. et al. Multiscale experimental study of H2/brine multiphase flow in porous rock characterizing relative permeability hysteresis, hydrogen dissolution, and Ostwald ripening. Sci Rep 14, 30170 (2024). https://doi.org/10.1038/s41598-024-81720-4
Boon, M., Buntic, I., Ahmed, K. et al. Microbial induced wettability alteration with implications for Underground Hydrogen Storage. Sci Rep 14, 8248 (2024). https://doi.org/10.1038/s41598-024-58951-6
Boon, M., & Hajibeygi, H. (2022). Experimental characterization of H2/water multiphase flow in heterogeneous sandstone rock at the core scale relevant for underground hydrogen storage (UHS). Scientific Reports, 12(1), Article 1. https://doi.org/10.1038/s41598-022-18759-8
Über die Wissenschaftlerin
Maartje Boon ist seit September 2023 Juniorprofessorin für „Advanced Methods in Porous Media“, am Institut für Angewandte Mechanik (MIB) sowie am Stuttgarter Zentrum für Simulationswissenschaft (SC SimTech) der Universität Stuttgart. Die Niederländerin hat an der Universität Utrecht ihren Masterabschluss in Hydrogeologie erlangt und am Imperial College London im Bereich der geologischen Speicherung von CO₂ promoviert.
Anschließend setzte sie ihre Forschung an der Stanford University fort. Bevor sie nach Stuttgart kam, arbeitete sie zudem zwei Jahre lang als Postdoctoral Research Fellow an der TU Delft. Bereits dort beschäftigte sie sich mit der unterirdischen Wasserstoffspeicherung in porösen Medien und der Charakterisierung des Wasserstofftransports von der Poren- zur Feldskala.
In Stuttgart forscht sie nun im Exzellenzcluster SimTech (Links) und im SFB 1313 an der Modellierung des Untergrunds in Wasserstoffreservoiren. Es fasziniert sie, dass sie in ihrer Forschung an realen, hochaktuellen Problemen arbeiten und dadurch etwas bewirken kann. Zudem liebt sie es, in einem internationalen Umfeld mit Kolleg*innen aus verschiedenen Ländern zu arbeiten. Sie selbst war für ihre Masterarbeit in Russland, für ihre Promotion in England und als Postdoc-Stipendiatin in den Vereinigten Staaten.