Dem CO2 auf der Spur

23.05.2025

Während wir viel darüber wissen, wie Kohlendioxid (CO₂) in unserer Atmosphäre wirkt, bleiben hinsichtlich seines natürlichen Verhaltens unter der Erde noch einige Fragen offen. Forschende auf der Schwäbischen Alb nutzen Karsthöhlen als unterirdische Labore, um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Sie untersuchen, wie viel CO₂ im Untergrund existiert, wie es sich dort bewegt und welche chemischen Reaktionen es eingeht. Was sie in diesen natürlichen Prozessen entdecken, könnte wichtige Erkenntnisse für unsere Klimamodelle liefern.

Rund zehn Prozent der Kontinentaloberfläche sind von Karstgestein bedeckt. Als Karstgesteine bezeichnet man wasserdurchlässige und leicht lösliche Gesteine, vor allem Kalkstein und Dolomit. Diese Gesteine sind von vielen Rissen, Spalten und Klüften durchzogen, die durch mechanische Beanspruchung, wie etwa die Hebung ganzer Gebirge, entstehen. Wenn es regnet, sickert das Wasser in den Boden ein. Dort reichert es sich mit CO₂ an, das bei der Zersetzung von Pflanzenresten durch Bodenbakterien entsteht. Dieses CO₂ verwandelt das Regenwasser in Kohlensäure. Sie greift den Kalkstein an und löst ihn langsam auf, insbesondere entlang der bereits vorhandenen Risse und Spalten. Wasser bewegt sich nämlich vornehmlich entlang dieser Hohlräume. Mit der Zeit werden diese Hohlräume immer größer und verbinden sich zu ganzen Höhlensystemen. Dieser natürliche Prozess, bei dem Gestein durch chemische Zersetzung abgebaut wird, wird Verkarstung genannt.

Bei der Verkarstung löst mit Kohlendioxid (CO₂) angereichertes Wasser den Kalkstein langsam auf und schafft so neue Hohlräume.

Im Untergrund können so über tausende von Jahren Höhlen entstehen, die zunächst mit Wasser gefüllt sind. Wird das Karstgebirge angehoben, verlagert sich der Karstwasserspiegel in größere Tiefen und die Hohlräume darüber fallen trocken. Das in die Hohlräume gelangende Tropfwasser bildet - je nach CO2-Gehalt in der Höhle - bizarre Stalagmiten und Stalaktiten. „Verändert sich jedoch das Höhlenklima und die CO2-Konzentration im Hohlraum, nimmt das Tropfwassser wieder CO2 auf.

In der Folge setzt erneut Kalklösung ein, und die zuvor abgelagerten Tropfsteine werden angelöst,“ erklärt Leon Keim. In einem SimTech Projekt im Rahmen seiner Promotion untersucht er, wie das CO2 sich in der Höhle verhält und wie der Gasaustausch in der Höhle mit der Atmosphäre und dem Wasser im Karstgestein stattfindet. Die Messungen finden in der Laichinger Tiefenhöhle auf der Schwäbischen Alb statt. Die Daten, die er dabei erhält, sind die Grundlage für Simulationsmodelle.

Die vadose Zone ist der Bereich, der zwischen der Bodenoberfläche und der Grundwasserzone, der phreatischen Zone, liegt. Die vadose Zone ist nur zeitweise, zum Beispiel nach Niederschlägen, mit Wasser gesättigt, die phreatische Zone permanent.

Einflüsse auf das CO2 im Karstsystem

Der CO2-Gehalt in der Laichinger Tiefenhöhle hängt von mehreren Faktoren und Prozessen ab. Einer davon ist die Mächtigkeit der Bodenschicht über der Höhle. Sie ist relativ dünn und kann daher bei Trockenheit einen Gasaustausch zwischen Höhlenluft und Atmosphäre ermöglichen. Sind der Boden oder die Gesteinsschicht nach viel Niederschlag mit Wasser gesättigt, wirkt diese Schicht wie eine Barriere für den Gasaustausch. In Wasser gelöst kann es jedoch weiterhin in den Untergrund, in die vadose Zone, gelangen. Zum anderen haben auch Jahreszeit, Temperatur und Luftströme (Ventilation) in der Höhle einen Einfluss auf den CO2-Gehalt und seine Wanderung durch das Kalkgebirge. 

Die Höhlenluft hat durchschnittlich eine Temperatur von acht bis neun Grad Celsius, im Sommer wie im Winter. Im Sommer ist die Luft draußen meist wärmer als in der Höhle, im Winter oft kälter. Gas wird schwerer, je kälter es ist und je mehr CO2 darin enthalten ist. Ist der Boden ausgetrocknet, drückt das Gas in die Höhle. Je nach Temperatur kann es durch die Bodenschicht dann auch wieder in die Atmosphäre entweichen. 

Physikalische Prozesse in der Höhle

Das CO2 gelangt über das Sickerwasser oder über Luftströme in die vadose Zone. Die Wissenschaftler*innen untersuchen die physikalischen Prozesse wie sich das CO2 in der Höhle verteilt und wie es sich an der Grenze zum Grundwasser, der phreatischen Zone, verhält.

Ist das CO2 in Wasser gelöst, erhöht es dessen Dichte. Das Wasser wird schwerer und reichert sich an der Grenzfläche zwischen der vadosen und der phreatischen Zone an, also an der Grenzschicht zum Grundwasser. Dort strebt es weiter nach unten. Das führt dazu, dass sich fingerartige Strukturen aus CO2-angereichertem Wasser im Grundwasser bilden, das sogenannte Fingering. Diese Finger wiederum sind der Grund, dass das CO2 verstärkt ins Grundwasser gelangen kann. „Zu diesen Vorgängen unter Karstbedingungen fehlen jedoch zuverlässige Daten“, sagt Leon Keim. Dies herauszufinden, ist der Schwerpunkt seines Promotionsprojekts. 

Forschung durch Höhlen- und Heimatverein inspiriert

Die Idee dazu lieferte der Geologe Harald Scherzer vom Höhlen- und Heimatverein Laichingen. Er vermutete schwankende CO2-Werte in der Höhle, wollte es genauer wissen und wandte sich an Leon Keims Doktorvater, Professor Holger Class. Da die Ergebnisse nicht nur für die Höhlenforschung, sondern auch für Klimamodellierer oder die CO2-Speicherung im Boden interessant sind, entstand daraus ein Forschungsprojekt.

Um den CO2-Gehalt zu messen, wurde eine über sechs Meter hohe Messstation in die Laichinger Tiefenhöhle transportiert und aufgestellt. Sie bestand aus einer Wassersäule, einem sechs Meter langen Rohr, das sie mit Leitungswasser füllten. So imitierten sie einen Höhlensee und konnten den Gasaustausch mit dem Wasser messen. Innerhalb des Rohres waren Sensoren in 0,15 Meter und 5,6 Meter Tiefe befestigt, um den CO2-Gehalt im Wasser zu messen.

Über dem Rohr waren Sensoren angebracht, die den CO2-Gehalt in der Höhlenluft erfasst haben. Die Daten geben Aufschluss darüber, wie sich die CO2-Konzentration im Wasser in verschiedenen Tiefen ändert – in Abhängigkeit von der CO2-Konzentration in der Luft. Daraus kann man dann Vermutungen ableiten, unter welchen Bedingungen und in welchen Zeiträumen die Finger auftreten. 

CO2-Konzentration in der Luft abhängig von Temperatur und Niederschlag

Die aufgezeichneten Daten kann Leon Keim in seinem Büro an der Universität Stuttgart auswerten, da sie per Internet übertragen werden. Zusätzlich wurde die Temperatur in der Höhle gemessen und frei zugängliche Daten des Deutschen Wetterdienstes über die tägliche Niederschlagsmenge sowie die minimale, die maximale und die durchschnittliche Tagestemperatur verwendet und mit den Messdaten verknüpft.

Die Messungen in der Laichinger Tiefenhöhle begannen im April 2021 und dauern noch an. „Wir haben zunächst beschrieben, was wir beobachtet haben“, erzählt Leon Keim. „Wir haben zum Beispiel gesehen, dass in jedem Frühjahr die CO2-Konzentration tendenziell eher gering ist und den Sommer über ansteigt. Im Sommer 2021 hatten wir eine sehr hohe CO2-Konzentration, in den beiden Folgejahren war das nicht so und 2024 war sie dann wieder sehr hoch. Da fragen wir uns natürlich, warum ist das so?“

CO2-Werte in der Laichinger Tiefenhöhle

In den Wintermonaten bis zum Frühsommer, also in trockenen und kalten Perioden, wurde generell eine niedrigere CO2 Konzentration gemessen als im Sommer und Herbst. In Zeiten mit hohen Niederschlägen wurden auch Spitzenwerte bei der CO2-Konzentration in der Höhlenluft erreicht. Da im Winter die Außentemperatur niedriger war als die in der Höhle, war die Luft außen schwerer und drängte nach innen.

Trocknete die obere Bodenschicht aus, konnte ein Gasaustausch zwischen Höhlen- und Atmosphärenluft stattfinden und es kam zu einem Abfall der CO2 Konzentration. Im Sommer war die CO2 Konzentration tendenziell höher. Die besonders stark gestiegene Konzentration im Spätsommer und Frühherbst 2021 interpretierten die Wissenschaftler*innen als Folge eines relativ feuchten Sommers gefolgt von einer extrem trockenen Periode.

In Perioden mit hohem Niederschlag und wenn das CO2 eine Zeit lang im Karstsystem gespeichert war, pendelte sich die Konzentration bei 15.000 ppm (parts per million) ein. Dieser Gleichgewichtswert stellte sich wiederkehrend in der Höhlenluft ein.   

Mobilität des CO2-Gases im Karstsystem

Die oberste Bodenschicht wirkt als Barriere - abhängig von der Sättigung des Bodens mit Wasser. Im Winter ist die CO2-Konzentration geringer, es findet ein Austausch mit der Atmosphäre statt. Im Sommer dagegen ist sie höher, hier findet der Austausch hauptsächlich mit der obersten Bodenschicht statt. Die roten Punkte stellen CO2 Moleküle dar, die gelben den zusätzlich gelösten Kalk.

Die Frage war zudem, ob auch die Besucher*innenströme im Sommer – die Laichinger Tiefenhöhle ist von April bis Oktober eine Schauhöhle - die CO2-Konzentration erhöhen. Aus den Tagesschwankungen war das tatsächlich ersichtlich, die Ausschläge in den Messkurven sind jedoch gering und auf der Skala im Jahresverlauf deshalb vernachlässigbar. Interessant war für die Wissenschaftler*innen jedoch die Beobachtung rund um den 5. März 2023. An dem Tag fand eine Großübung der Höhlenrettung Baden-Württemberg statt, bei der eine aktive Belüftung bis hinunter zur Messstation in einem benachbarten Schacht eingebaut wurde. Die CO2-Konzentration sank dadurch deutlich. Diese Daten könnten für weitere Studien noch von Bedeutung sein.

CO2 im Wasser gefangen

Auch bei der Messung des Gasaustauschs mit dem Wasser haben die Wissenschaftler*innen überraschende Beobachtungen gemacht. Holger Class und seine Kolleg*innen haben die Ergebnisse bereits 2023 dokumentiert. So konnten sie feststellen, dass in geringen Wassertiefen die gleichen Schwankungen in der Konzentration auftraten wie in der Höhlenluft, wenn auch nicht so stark. Wenn CO2 im Wasser gelöst wird, erhöht es dessen Dichte und sinkt nach unten. In einem Meter Tiefe reichen jedoch kleinste Störungen, zum Beispiel minimale Temperaturunterschiede oder kleine Erschütterungen, noch aus, damit das CO2 wieder in die Gasphase gelangen kann, das heißt zurück in die Höhlenluft.

In größeren Wassertiefen dagegen war die CO2 Konzentration hoch. In 5,85 Meter Tiefe wurde ein Spitzenwert erreicht. Das einmal abgesunkene CO2 war dort gefangen, das heißt, es stieg nicht wieder nach oben. Große Wassertiefen sind deshalb eine sehr effiziente und permanente Falle für CO2, sofern es keine nennenswerten Durchmischungen gibt. „Unseres Wissens nach ist dies das erste Mal, dass die Mobilität von CO2 im ruhenden Wasser in einer Höhle modelliert wurde“, erzählt Leon Keim. Die Datensätze stehen anderen Wissenschaftler*innen und Modellier*innen für ihre eigene Forschung zur freien Verfügung.

Weitere Höhlen im Fokus

Um herauszufinden, ob die Ergebnisse der Laichinger Tiefenhöhle auch auf andere Höhlen übertragbar sind, starteten die Wissenschaftler*innen um Holger Class ein weiteres Projekt mit CO2-Messungen in der Höhle von Postojna in Slowenien. Gemeinsam mit slowenischen Wissenschaftler*innen des Karst Research Institute in Postojna untersuchen sie dort bei veränderten Bedingungen – in der Höhle gibt es beispielsweise Auf- und Abwinde – wie das CO2 sich in der vadosen Zone verhält.

Die slowenischen Wissenschaftler*innen lieferten hier schon wichtige Ergebnisse, in einem Teil der Höhle wurde jedoch eine Verteilung von CO2 festgestellt, die man sich noch nicht erklären kann. Hier sollen Simulationen helfen, die Prozesse aufzudecken. 

Weltkulturerbe in Gefahr

In der weltberühmten Höhle von Lascaux in der Dordogne in Frankreich, deren Wandmalereien zum Weltkulturerbe der UNESCO zählen, gibt es noch ein zusätzliches Problem: Durch den Klimawandel breitet sich dort ein Pilz aus, der die einzigartigen, bis zu 21.000 Jahre alten Kunstwerke bedroht.

In Zusammenarbeit mit Forschenden der Universität Bordeaux wollen die Stuttgarter Wissenschaftler*innen auch hier untersuchen, wie sich das CO2 in der Höhle bewegt. Dabei können sie auf die Vorarbeiten der französischen Wissenschaftler*innen aufbauen. „Am Ende wollen wir dazu beitragen, besser zu verstehen, welche Prozesse zu welchen Effekten in den Höhlen führen und wie sich auch der Klimawandel auf die Höhlen auswirkt“, erklärt Leon Keim.

Manuela Mild | SimTech Science Communication

Zum Weiterlesen

Keim, L., & Class, H. (2025). Rayleigh invariance allows the estimation of effective CO2 fluxes due to convective dissolution into water-filled fractures. Water Resources Research, 61, e2024WR037778. https://doi.org/10.1029/2024WR037778

Laichinger Höhlenfreund, 59. Jahrgang, S. 35-50, 18 Abb.: Laichingen 2024

Class, H.; Keim, L.; Schirmer, L.; Strauch, B.; Wendel, K.; Zimmer, M. Seasonal Dynamics of Gaseous CO2 Concentrations in a Karst Cave Correspond with Aqueous Concentrations in a Stagnant Water Column. Geosciences 2023, 13, 51. https://doi.org/10.3390/geosciences13020051

Keim, L., Class, H., Schirmer, L., Wendel, K., Strauch, B., & Zimmer, M. (2023). Data for: Measurement Campaign of Gaseous CO2 Concentrations in a Karst Cave with Aqueous Concentrations in a Stagnant Water Column 2021-2022. https://doi.org/10.18419/darus-3271

Keim, L., Class, H., Schirmer, L., Strauch, B., Wendel, K., & Zimmer, M. (2023). Code for: Seasonal Dynamics of Gaseous CO2 Concentrations in a Karst Cave Correspond With Aqueous Concentrations in a Stagnant Water Column. DaRUS. https://doi.org/10.18419/darus-3276

Über die Wissenschaftler

Holger Class ist Professor und kommissarischer Leiter des Lehrstuhls für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung am Institut für Wasser- und Umweltsystemmodellierung an der Universität Stuttgart. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung von Modellkonzepten für Strömungs- und Transportprozesse im Untergrund mit einer Vielzahl von Anwendungen, zum Beispiel Speicherung von Gasen, Ausfällungsprozesse im Porenraum und vieles mehr. Er forschte bei SimTech im Projekt PN1-4 (I und II) und PN1-14 und arbeitet im SFB 1313 im Projekt C04. Da er selbst auf der Schwäbischen Alb wohnt, beschäftigt er sich schon lange Jahre mit den Prozessen von CO2 in Höhlen. 

Leon Keim ist akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung und promoviert im SimTech-Projekt PN1-14. Sein Interesse an Strömungsprozessen wurde bereits früh durch alltägliche Beobachtungen geweckt – vom Luftwiderstand beim Radfahren bis zu den Verwirbelungen, wenn sich Milch im Kaffee verteilt. Als begeisterter Bergsteiger konnte er in den Alpen ähnliche Phänomene in größerem Maßstab beobachten: wie Luftmassen über Berge strömen und dabei Wolken bilden, und wie sich sonnenerwärmte Luft durch Dichteunterschiede hebt und Thermik entsteht. Bei seinen Touren fallen ihm auch die Veränderungen in der Umwelt auf – schwindende Gletscher und zunehmende Extremwetterlagen machten den Klimawandel dort besonders deutlich sichtbar. Diese Mischung aus Interesse für Strömungen und Umweltbewusstsein brachte ihn zum Studium des Bauingenieurwesens an der Universität Stuttgart. In seiner Promotion kann er sein Wissen und die Forschung über fluidmechanische Strömungsprozesse noch vertiefen.  

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